Tomáš Garrigue Masaryk
Petra Junková
Ich habe als mein Thema die Person Tomáš Garrigue Masaryks gewählt. Der erste Präsident der Tschechoslowakischen Republik war eine bedeutende Persönlichkeit und in erster Linie war er ein moralisches Vorbild. Er forderte die unbedingte Wahrhaftigkeit, was die Menschen sehr schätzten und noch heute schätzen. Weil es sich in unserem Seminar um die tschechisch – deutschen/österreichischen Beziehungen handelte, beschäftigte ich mich mit der Frage, ob Masaryk dieses Vorbild nur für die Tschechen war oder ob ihn auch die in der damaligen Tschechoslowakei lebenden Deutschen anerkannten und schätzten. Mit anderen Worten – kann man Masaryk „nur“ als „Gedächtnisort“ der Tschechen oder auch der Deutschen bezeichnen? Dabei beschäftigte ich mich nur mit der Vergangenheit. In der Gegenwart ist Masaryk ein Gedächtnisort für die Tschechen, ob das Selbe aber auch für die Deutschen/Österreicher gilt, das müsste man noch untersuchen.
Wie die Deutschböhmen Masaryk in den 20er und 30er Jahren wahrnahmen, das versuchte ich in der Moravská Zemská knihovna in Brno festzustellen. Ich habe ein paar relevante Daten gewählt, wie Geburtstage Masaryks, seine Wiederwahl, seinen Tod und einmal auch den Nationalfeiertag. Dann suchte ich in den deutschsprachigen demokratischen Zeitungen auf dem Gebiet der damaligen Tschechoslowakei (hauptsächlich Tagesbote und Prager Presse), was diese Zeitungen zu diesen Gelegenheiten schrieben, wie sie sich zu Masaryk äußerten. Auf diese Art und Weise hoffte ich die Beziehung der Deutschen zu Masaryk näher kennen zu lernen. Hier kommt das Ergebnis.
Masaryks Geburtstag 7. 3. 1925, 1930
Im Jahre 1925 ist die Äußerung der Deutschböhmen noch zurückhaltend, sie anerkennen zwar Masaryk und wünschen ihm alles Gute, sie beschweren sich aber noch über die Rechte der deutschen Minderheit, die ihnen noch nicht in Ordnung zu sein scheinen.
Im ersten Absatz eines Artikels über Masaryks Geburtstag wurde geschrieben: „Tschechisches Volk feiert“ Im zweiten Absatz setzt der Tagesbote fort: „Wir Deutschen bringen dem innigen Verhältnis zwischen Masaryk und dem tschechischen Volke volles Verständnis entgegen,...“, „Auch das deutsche Volk hat Thomas Masaryk immer rückhaltlose Wertschätzung entgegengebracht...“ (Tagesbote, 7.3.1925).
Die Deutschen können Masaryk die Anerkennung nicht versagen, aber sie heben hervor, dass Masaryk als genauer Kenner der Menschenseele es verstehen wird, dass die Deutschen nicht jubeln. Am Ende hoffen sie, dass die Tschechoslowakei zur aufrichtig geliebten Heimat aller Bewohner wird.
Im Jahre 1930 klingt die Zeitung positiver, sie schätzt Masaryk, die Unzufriedenheit ist kleiner, aber sie ist immer noch da. „Das Ziel seiner Lebensarbeit errungen, den tschechoslowakischen Staat mit starker deutscher Minderheit geschaffen, hoffen auch wir, dass uns dank seines Gerechtigkeitssinnes die uns gebührenden Rechte in diesem Staat nicht vorenthalten, sondern uns im vollsten Maß zuerkannt werden.“ (Tagesbote, 7.3.1930). Die Deutschen machen auch auf die Äußerung des Präsidenten aufmerksam. „Demokratie ist Diskussion und Kompromiss zugleich.“
Die Prager Presse ist allgemein begeisterter und positiver als der Tagesbote (der immer auf die deutschen Rechte aufmerksam macht). Im Jahre 1930 hat die Presse über Masaryk schon am 1.1. geschrieben. Sie hat ein Gespräch mit Masaryk aus České slovo übernommen – einen Artikel über seine Ansichten über Prag, Sport, Presse, Abtretung usw.
Ein Artikel in der Prager Presse hieß „Das Festjahr Masaryks“. Es wurde darüber geschrieben, dass im Jahr 1928 die Republik feierte, im 1929 St. Wenzel gefeiert wurde, und auch 1930 kein gewöhnliches Jahr sein wird. Und warum? In diesem Jahr feierte nämlich Masaryk seinen 80. Geburtstag. Die Prager Presse meint, es wird ein Feiertag nicht nur für die Tschechoslowakei, sondern für ganz Europa sein. „Für uns aber, die wir täglich die Auswirkungen seines Lebenswerkes freudig verspüren, bedeutet dieser Festtag das Symbol der Sicherheit und schaffenden Ruhe... Wenige Völker können von einer ähnlichen Gunst der Geschichte erzählen!“ Am 7.3.1930 widmeten sie Masaryk viele Blätter und Photos. Die Prager Presse hat sogar eine spezielle Beilage zum 80. Geburtstag herausgegeben. Sie hieß „Masaryk – Staatsmann und Denker“ und hatte 32 Seiten.
Weitere Zitate aus der Prager Presse:
„Die Tschechoslowakei feiert ohne Unterschied der Nationalitäten und Klassen.“
„Masaryk hat sich aber nicht nur um sein eigenes tschechoslowakisches Volk, er hat sich um den Staat, mit allen seinen Völkern verdient gemacht... er sicherte die Demokratie... gab den Völkern die Möglichkeit, auf dem Boden dieses Staates ihre Sprache, Kultur und ihre Wirtschaft zu pflegen.“
„Mut und Tatkraft, lebensvolle Ideen, gepflanzt auf die ehrwürdige Erfahrung eines Patriarchenalters, das ist der erste Präsident, wie wir ihn lieben!“
„Verwirklichung eines Ideals der alten Philosophen: der Weise als Oberhaupt der Nation.“
Masaryks Geburtstag 7. 3. 1934
In diesem Jahr schreibt der Tagesbote schon begeistert und die Deutschen feiern diesen Geburtstag mit. Tschechen und Deutschen feiern also gemeinsam, es finden verschiedene Feierkonzerte, Vorstellungen im Theater und Lampionzüge statt. In den Fenstern sind die Bilder und Büsten des Präsidenten zu sehen…
Einige Zitate aus dem Tagesboten:
Ein Artikel über Masaryk „Die Deutschen sind in ihrem Wesen alle Professoren.“
„Man bewunderte den Gerechtigkeitssinn, der auch an so exponierter Stelle mit großem Freimut Zustände kritisierte, deren Änderung uns Deutschen Herzenssache ist.“
„Die Kraft dazu schöpfte er aus der Idee, um die er zeitlebens rang, der Idee unbedingter Wahrhaftigkeit, und aus seinem nüchternen Realismus, der am deutschen Idealismus, aber auch am westlichen Positivismus geschult war.“
„Immer wieder hat Masaryk die Anständigkeit in der Politik gepredigt.“
Die Schlagzeile eines weiteren Artikels lautet: „Ethos der Wahrhaftigkeit“ – „Von diesem Gesichtspunkt beurteilt Masaryk auch das Nationalitätenproblem in der Tschechoslowakei. Er weiß und hat es wiederholt bekundet, dass das Schicksal des Staates auf die Dauer von der Lösung dieser Frage abhängt. Und dieser gute Wille hat ihm unter den Sudetendeutschen viele Freunde erworben so dass heute an seinem 84.Geburtstag ohne behördlichen Anregung aus eigenem Antrieb in zahlreichen deutschen Städten unseres Staates der Geburtstag des Präsidenten mit aufrichtiger Anteilnahme gefeiert wird.“
„Man wird ihm das Amt gewiß zum dritten Male anbieten. Wir hoffen alle, dass er es trotz des hohen Alters annehmen wird. In einer so aufgeregten Zeit, wie der jetzigen, ist ein Masaryk unersetzbar.“
Die Deutschen sahen in Masaryk und besonders im diesen Jahr (ein Jahr nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland) den Beschützer der Demokratie – „Er glaubt an eine gesunde Entwicklung Europas und deshalb an den Frieden, dem er ein nüchterner und darum wertvoller Beschützer ist. Möge er die Entwicklung seines Lebenswertes in seinem Sinne noch recht lange fördern und behüten.“
Auch der deutsche Bürgermeister von Reichenberg lobte Masaryk in seiner Rede. „Aber auch wir Deutschen, die diesem Staat als Minderheitsvolk eingegliedert wurden, schätzen und verehren in dem Präsidenten T.G.Masaryk den größten und bedeutendsten Mann dieser Republik. Wir bewundern in ihm den großen Staatsmann... wir erkennen seinen Gerechtigkeitssinn und seinen umfassenden, von Weisheit und Menschenliebe erfüllten Geist an.“ Nach dieser Rede stellte der Bürgermeister den Antrag, der Neustädterplatz soll den Namen Masaryks tragen. Die Anwesenden hatten sich zum Zeichen der Ehrung von den Sitzen erhoben…
Masaryks Geburtstag 7. 3. 1935
In diesem Jahr hat der Tagesbote auch sehr begeistert geschrieben, noch ein bisschen mehr als im Jahr 34. Die Zeitung widmete ihm die ganze Vorderseite mit einem Photo. Man kann in dieser Zeitung zu diesem Datum Stichworte lesen wie allmenschlich, Humanitätsideal, der beste und weiseste. Ein Artikel heißt sogar Unser Staatspräsident.
Einige Zitate aus dem Tagesboten:
„die Umsetzung der demokratischen und Humanitätsideale in die Praxis der Minderheitenpolitik ... gefordert und gepredigt und durch sein gutes Beispiel in die Tat umgesetzt hat.“
„Wir beugen uns auch aus diesem Anlasse vor seiner ehrwürdigen Gestalt in Ehrfurcht, in Demut und Ergebenheit.“
In der Zeitung zitierte man die Äußerung des Präsidenten: „Demokratie ist verbesserungsbedürftig, aber in der jetzigen ernsten Lage kann man nicht experimentieren.“
Die Nachrichten über den Geburtstag kommen noch in den nächsten Tagen. Am 8. 3. schreibt man, wie Masaryk die Glückwünschenden empfängt, ein Artikel beschreibt, wie Masaryk lebt. In diesem Artikel wird alles ziemlich detailliert geschildert. Wann Masaryk aufsteht, was und wann er frühstückt, wie sein Gesundheitszustand ist… Diese Details zeigen sehr gut, wie wichtig Masaryk für die Menschen war. Wenn jemand einen detaillierten Tagesplan einer Person mit Interesse liest, bedeutet das, dass er diese Person mag und hochschätzt.
Auch im Jahre 35 wurde Masaryk in der Prager Presse gefeiert. Wieder wurden ihm viele Seiten gewidmet und es wurden verschiedene Heime und karitative Einrichtungen erwähnt, die seinen Namen trugen. z.B.: die Masaryk Antituberkuloseliga, Fliegerliga usw.
Die Schlagzeilen zu diesem Anlass: „Europa ehrt T.G. Masaryk“, oder „Das Weltecho des 7. März“
Die Wiederwahl Masaryks als Präsident, 25. 5. 1934
Die Deutschen waren mit der Wiederwahl mehr als zufrieden. In der Zeitung können wir ausführliche Berichte und zahlreiche Bilder finden. Den Präsidenten haben diesmal auch die deutschen Abgeordneten gewählt. Die Tagesbote äußert sogar Enttäuschung über die Haltung der Slowaken, die Masaryk nicht gewählt haben. Wir können Schlagzeilen und Stichworte lesen wie Deutsche und Tschechen feiern gemeinsam! Vertrauen und Achtung der Deutschen. Garantie des demokratischen Fortschritts.
Nationalfeiertag 1935
Anlässlich des Nationalfeiertages 1935 hat sich der Tagesbote folgendermaßen über Masaryk geäußert. „Denn die wahrhafte Demokratie repräsentiert die organisierte Gerechtigkeit, die lebendige Vernunft, die gewaffnete Moral. In diesem Sinn ist unser von aller Welt hochgeschätzter Staatspräsident nicht bloß unser Führer, sondern auch unser Lehrer.“ (Tagesbote 29.10.1935). Auch im Dezember 1935, als Masaryk sein Amt niederlegte, widmete die Zeitung diesem Ereignis die ganze Vorderseite.
Masaryks Tod 14. 9. 1937
Zu diesem Anlass sind auch viele Seiten, Bilder und Details zu finden. Man liest Schlagzeilen wie „Die letzte Ehrung des großen Toten – Prag rüstet zu einem imposanten Staatsbegräbnis“, „Großartiger Ausklang eines großen Lebens.“
Zitate aus dem Tagesboten:
„So unermesslich groß der Verlust ist, den das tschechische Volk durch das Hinscheiden des Mannes erlitt, der den tschechischen Staat gegründet und als Präsident durch die ersten 17 Jahre seiner Geschichte geführt hat, so falsch wäre es, den Anteil der Deutschen dieses Staates an dem allgemeinen Schmerz und der allgemeinen Trauer zu verkleinern oder gar überhaupt verkennen. Gewiß hatten wir Deutschen insbesondere nach der Rückkehr Masaryks in die Heimat manches an seiner Haltung auszusetzen, was uns nicht befriedigen konnte... musste sich erst allmählich wieder in ihre politischen Realitäten, besonders hinsichtlich der Nationalitätenfrage, hineinfinden.“
Noch später beim Begräbnis wurde gesagt und in der Zeitung veröffentlicht: „Aufrichtiger Schmerz ob dieses schweren Schicksalsschlages schlingt ein einigendes Band um alle Völker unseres Staates, ein inniges Band des Dankes für sein Lebenswert...“
Prager Presse:
„Können aber Worte überhaupt die Trauer ermessen, welche uns alle, das ganze Volk, befallen hat, da dieses Heldenleben verlöscht ist?“
Fazit:
Meiner Meinung nach zeigen diese Auszüge, dass Masaryk in seiner Zeit eine wichtige Person, ein „Gedächtnisort“ auch für die demokratischen Deutschen war.
Quellen:
Tagesbote, Prager Presse